Etwas vergessen?
„Hintergründe müssen aufgearbeitet werden“
Der Sächsische Landesrechnungshof stellte Ende Juni 2023 seinen Jahresbericht vor. Ein Detail aus der Zeit Wöllers als Innenminister ist darin zu finden, es lautet: „Ein in Sachsen beheimatetes Beratungsunternehmen erhielt im Prüfungszeitraum 3 Aufträge im Gesamtvolumen von über 100.000 Euro“.
Die Vergabe erfolgte ohne die normalerweise vorgeschriebene Ausschreibung, wegen „besonderer Dringlichkeit“.
Das Geld ging an ein Beratungsunternehmen, um Wöllers Image „aufzuhübschen“. Die PR-Agentur wird von Peter Zimmermann geleitet, ein „alter Bekannter“, er arbeitete von 2007 bis 2009 als Sprecher der Staatsregierung in Dresden.
Wöller-Rücktritt als Innenminister!
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Vorwürfe der Vetternwirtschaft bei Besetzung der Leitung der sächsischen Polizeihochschule
Bereits seit März 2022 leitet Manja Hußner kommissarisch die sächsische Polizeihochschule in Rothenburg als Kanzlerin. Nach übereinstimmenden Medienberichten soll Roland Wöller sie auch für die langfristige Besetzung dieser Stelle vorgesehen und bereits 2020 zu einem Arbeitsplatzwechsel an die Hochschule ermutigt haben, wo sie zuerst das Rektoratsbüro leitete.
Das Problematische daran: Hußner soll eine langjährige Freundin von Wöllers Ehefrau sein und dankte dieser laut der LVZ etwa in ihrer Dissertation für die Unterstützung bei der Korrektur der Arbeit. Zudem sorgt für Verwunderung, dass Wöllers Bekannte bisher noch keine vergleichbare Anstellung innehatte und die Anstellung als Kanzlerin der Polizeihochschule für sie also einen großen Karrieresprung bedeuten würde. Weiterhin sei vor der Ausschreibung die entscheidende Anforderung von zwei bestandenen juristischen Staatsexamina auf eines gesenkt worden – was Hußner überhaupt erst eine Bewerbung ermöglichte.
Zusätzlich bringt Wöller nicht nur die Anhebung der Besoldung der für Hußner vorgesehenen Stelle in Bedrängnis, sondern auch deren Verbeamtung, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt die entsprechende Altersgrenze bereits überschritten hatte.
Mehrere Polizeigewerkschaften forderten in der Folge den Rücktritt Wöllers. Hagen Husgen, der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, stellte sich die Frage, „ob der Innenminister noch an der richtigen Stelle sitzt“, direkt mit der zugehörigen Antwort: „aus unserer Sicht ist das nicht mehr der Fall“.
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Scharfe Kritik an Wöllers Polizei-Personalpolitik
„Es scheint, dass Widerworte gegen den Minister mit der sofortigen Versetzung bestraft werden. Nicht selten genügt auch eine gegenteilige Auffassung bzw. ein anderer Standpunkt, um sich innerhalb kürzester Zeit in einer neuen Funktion wiederzufinden.“, moniert am 3. April 2022 der sächsische Landesverband des BDK (Bund Deutscher Kriminalbeamter) in einer Pressemitteilung und kritisiert nachfolgend Wöllers „Willkür“ bei seinen Personalentscheidungen und die „schlechte Stimmung“ innerhalb der Behörde.
„Es erhärtet sich der Eindruck, dass persönliche Befindlichkeiten über die der Fachlichkeit und den Interessen der sächsischen Polizei gestellt werden.“, heißt es seitens des BDK weiter, wonach eine explizite Kritik an der jüngsten Personalentscheidung Wöllers folgt: der Einsetzung des ehemaligen sächsischen Landeschefs der Jungen Union, Florian Oest, als Leiter der „Stabsstelle Kommunikation“ des Landespolizei. Hierzu schreibt der BDK: „Was qualifiziert bspw. einen Jungpolitiker aus dem eigenen Kader, der selbst nie Uniform getragen hat, für das Amt des obersten Sprachrohres der sächsischen Polizei“, und „agiert die Stabsstelle Kommunikation zukünftig als Stimme der Polizei oder viel eher als persönlicher Fürsprecher des Ministers?“.
Zuletzt verweist der polizeiliche Berufsverband auch auf den parteipolitischen Neutralitätsgrundsatz der sächsischen Polizei, deren Stabsstelle Kommunikation durch Wöllers neue Personalie „zum verlängerten politischen Arm des Ministers“ zu werden droht. In den vergangenen Jahren hatte Florian Oest als CDU-Jungpolitiker unter anderem zivile Seenotrettung mit „kriminellen Schlepperbanden“ verglichen, ein Verbot der Partei DIE LINKE gefordert und den gegen das neue sächsische Polizeigesetz klagenden Parteien einen Mangel an Demokratieverständnis vorgeworfen.
Polizei kriminalisiert friedlichen Protest gegen Corona-Leugner*innen in Dresden
Am 13. Januar 2022 stellten sich Medizinstudierende aus Protest gegen eine Demonstration von Corona-Leugner*innen vor das Uniklinikum in Dresden. In Form einer Menschenkette wollten sie ein friedliches Zeichen setzen.
Während der Aufzug der Leugner*innen, wie immer ohne Rücksicht auf Abstände und ohne Mund-Nasen-Schutz, weitgehend unbehelligt von der Polizei laufen konnte, kam es zur Einkesselung der mit Abstand und Maske protestierenden Studierenden. 22 Personen wurde ein Bußgeld wegen Verstößen gegen die zu diesem Zeitpunkt geltende Corona-Notfallverordnung angedroht. Einige Polizist*innen wollten in den weißen Kitteln der Studierenden an diesem Abend zudem eine rechtswidrige Uniformierung erkannt haben.
Im Nachgang des Vorfalls ergab sich, dass die Studierenden ordnungsgemäß eine Versammlung angemeldet hatten, weshalb es zu keiner Erhebung von Bußgeldern kam.
Während die Polizei die Studierenden kriminalisierte, lobte Wöller am Folgetag deren Zivilcourage und erklärte, dass klare Kante gegen das aktuelle Corona-Protestgeschehen zu zeigen, ein wichtiges Signal sei. Wenig überraschend hagelte es in den Sozialen Medien einmal mehr Rücktrittsforderungen gegen ihn.
Inhaftierung statt Asylfolgeantrag
Schon am 10. Januar 2022 spricht Herr O. in der Aufnahmeeinrichtung Adalbert-Stifter-Weg in Chemnitz vor. Er möchte einen Asylfolgeantrag stellen. Er solle am nächsten Tag wiederkommen, wird ihm gesagt, dann werde alles in die Wege geleitet. Der Aufforderung kommt er nach. Am 11. Januar spricht er wieder vor. Sein Menschenrecht, einen Asylantrag zu stellen, wird er an diesem Tag aber nicht in Anspruch nehmen können. Stattdessen wird er verhaftet und in die Justizvollzugsanstalt Zwickau verbracht.
In all den Stunden weiß er nicht, was und warum die Behörden ihn in Handschellen legen und von Chemnitz nach Zwickau fahren. Eine Sprachmittlung gibt es nicht. Zwar spricht er ein wenig Deutsch, das genügt aber nicht, um in der Schnelligkeit und in dieser Stresssituation den Vorgang zu verstehen. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage geht das Innenministerium jedoch aus, dass er schon gut Deutsch sprechen konnte. Auch weitere Vorwürfe wie Gewaltandrohungen durch einen Security-Mitarbeiter leugnet Innenminister Wöller. O.s Rechtsanwalt Christoph Köhler sieht keinen Anlass, die Aussagen seines Mandanten anzuzweifeln, kommentiert er in einer Pressemitteilung von Sächsischem Flüchtlingsrat und linXXnet. Gegen O. war ein Strafbefehl wegen vorgeblich illegalem Aufenthalts offen. Die Geldstrafe hätte ohne das repressive Zusammenwirken von Wöllers Polizei und Landesdirektion wie der Camp-Security gezahlt werden können.
Zusammenfassend: Ein in Sachsen bislang beispielloser Vorgang, bei dem einen sans papier der Zugang ins Asylverfahren verwehrt werden sollte. Köhler hat diesen inzwischen für Herrn O. erwirkt.
Abschiebung wegen Überbuchung abgebrochen